Es ist ein Thema, das vielleicht nicht jeden betrifft, der ein Auslandssemester plant, und auch sicher eines, das sehr umstritten ist, und genau darum soll es heute gehen: wie ist das eigentlich, wenn man für ein Semester ins Ausland gehen will, aber in einer festen Beziehung ist? Sollte man wirklich gehen und schauen, was passiert oder ist die Beziehung wichtiger?
Eines gleich vorab: ich bin der Meinung, dass es hier keine richtige oder falsche Entscheidung gibt. Jeder Mensch muss es ganz alleine mit sich und seinem Partner ausmachen, ob man ein halbes Jahr (oer länger oder kürzer, je nachdem) ins Ausland gehen möchte, und ob die Beziehung das überlebt. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich meine Erfahrung zu dem Thema hier teilen kann – denn auch, wenn man in einer festen Beziehung ist und der Partner nicht mitgeht ins Ausland, kann man eine wunderbare Zeit haben. Man muss es nur wollen.
Persönliche Entscheidung
Ich bin generell der Meinung, wenn man einen Traum hat, dann sollte man alles dafür tun, um diesen Traum zu leben. Ich wollte unbedingt nach Australien, und obwohl ich damals in einer festen Beziehung war, habe ich das auch versucht, umzusetzen. Dass dann alles anders gekommen ist, hat mich jedoch nicht davon abgehalten, wieder ins Ausland zu gehen. Mein damaliger Freund hat mir natürlich gesagt, dass er es nicht toll findet, wenn ich so lange weg bin, aber mich unterstützt, weil er wusste, dass mir das viel bedeutet. Es hat definitiv geholfen, dass ich meine Gedanken zum Thema Auslandssemester von Anfang an mit ihm geteilt habe, wir darüber gesprochen haben und ich ihm erklärt habe, wie wichtig mir das ist. Denn wenn der andere vielleicht auch nicht super begeistert ist, dass ihr unbedingt so lange weg wollt, wenn er den Hintergrund versteht, ist es einfacher, den Partner auch dabei zu unterstützen. Für mich war es keine Entweder-Oder-Entscheidung, ich wollte ins Ausland und die Beziehung trotzdem weiterführen, und genau das sollte man dem Partner auch vermitteln. Es ist nicht die Entscheidung gegen den Partner, aber für die Erfahrung.
Für mich war auch klar, dass meine Träume in dem Sinne über der Beziehung stehen, in dem Sinne, dass ich glaube ich ernsthaft über die Beziehung nachgedacht hätte, wenn er mich nicht unterstützt hätte. Und genau das habe ich auch getan: in Paris habe ich gelernt, dass ich noch mehr erleben, noch mehr Kulturen kennenlernen möchte. Außerdem habe ich mich persönlich sehr verändert. Mein damaliger Freund hat mir gesagt, dass er das nicht mitmachen kann, weil es ihm mit der Situation nicht gut geht – und das war der Punkt, an dem wir gemerkt haben, dass wir getrennte Wege gehen müssen.
Veränderungen, Konflikte und Unzufriedenheit
Das zeigt, dass so etwas auch gründlich daneben gehen kann – meine damalige Beziehung war sicher nicht die einzige, die an so etwas gescheitert ist. Ich habe während meiner Auslandssemester auch andere Menschen kennengelernt, die sich entweder während der Zeit oder danach getrennt haben – aber von keinem habe ich gehört, dass sie die Zeit im Ausland bereuen.
Ich glaube, vor allem wenn man das erste Mal ins Ausland geht, verändert das einen. Wie, kommt natürlich auf die eigene Person an, und auf die Kultur, in die man da geworfen wird. Aber man ist plötzlich mehr oder weniger auf sich alleine gestellt, kann sich quasi neu erfinden, hat viel mehr Möglichkeiten und lernt neue Menschen kennen – all diese Dinge haben sicher einen Einfluss auf die Persönlichkeit. Und damit auch auf die Beziehung. Bei manchen ist das mehr, bei anderen weniger Veränderung, bei manchen wirkt es sich negativ und bei anderen positiv auf die Beziehung aus. Aber ich weiß, dass es hilft, wenn man darüber spricht. Nicht nur vorher und nachher, wenn man zurück ist, sondern auch während der Zeit, in der man sich nicht sieht, beim Skypen. Wenn man den anderen teilhaben lässt an dem, was gerade so passiert, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass man sich auch danach noch genau so gut, oder sogar besser versteht. Ein Auslandssemester kann die Beziehung nämlich auch stärken, weil man merkt, was man zusammen aushalten kann.
Leben und leben lassen
Etwas, das mir erst irgendwann bewusst geworden ist, als ich in Dänemark war – man muss nicht immer zur gleichen Zeit skypen. Klar, man möchte regelmäßig Kontakt halten, und nicht immer nur ganz kurz Gute Nacht sagen, aber wenn man im Ausland ist, möchte man sich schließlich auch nicht jeden Abend auf sein Zimmer zurück ziehen um mit dem Liebsten zu skypen, sondern auch mal etwas mit den anderen unternehmen. Das gilt aber auch genauso gut anders herum: wenn der Partner zuhause mal keine Zeit für einen hat, nicht gleich eingeschnappt sein! Denn auch zuhause geht das Leben weiter, nur weil man gerade selber nicht da ist heißt das nicht, dass andere sich immer nach dem eigenen Schema richten. Ab und zu einfach mal versuchen, sich in den Partner hineinzuversetzen – und wenn man dann mal Zeit hat, ausgiebig über die vergangene Woche zu sprechen, sich auch wirklich die Zeit nehmen, es sich gemütlich machen und einfach nur stundenlang quatschen.
Und wenn man nicht geht?
Ganz ehrlich: Für mich wäre es nicht in Frage gekommen. Ich wollte immer gehen und ich bin gegangen, nicht immer dahin, wo ich hinwollte, aber immerhin habe ich meine Erfahrungen machen können. Mein Freund wusste es von Anfang an, da er mich erst kennengelernt hat, als ich schon mit dem Studium angefangen hatte, und kannte meine Einstellung: ich muss einmal ins Ausland, ich kann drei Mal und ich will rausholen, was geht. Er hat mich bei den Vorbereitungen für Brasilien unterstützt, aber ihm ist ein Stein vom Herzen gefallen, als ich kein Visum bekommen konnte und nach Brüssel gegangen bin. Er hat mir geholfen, mein Motivationsschreiben für das Semester in Dänemark auszufüllen und hat mir beim Koffer packen geholfen. Bei dem Semester jetzt war ich bereit, einen Kompromiss einzugehen, denn ich wollte nicht noch einmal alleine los, und die Entscheidung, zusammen nach New York zu gehen, war gefallen. Wir haben uns auch Gedanken gemacht, was passiert, wenn nur einer eine Stelle findet, und so weiter, zum Glück ist der Fall aber nie eingetreten. Wie auch immer: für mich stand zumindest die ersten drei Male fest, dass ich auf jeden Fall gehen möchte. Nur beim dritten Mal hätte ich darauf verzichtet, weil ich meinem Freund nicht noch ein drittes Mal eine Trennung auf Zeit antun wollen würde, und weil irgendwo der Punkt kommt, an dem man einfach Kompromisse machen muss.
Ich habe mich immer gefragt, ob ich es bereuen würde, dass ich nicht gegangen bin – und ob ich es meinem Partner unter Umständen irgendwann vorwerfen würde. So lange die Antwort auf diese Frage JA war, war eindeutig klar, dass ich ins Ausland gehe. Denn ich bin davon überzeugt, dass eine Beziehung für’s Leben auch ein Auslandssemester überstehen kann – und wenn man an so etwas scheitert, dann war es vielleicht auch einfach nicht die perfekte Beziehung, auch wenn man vorher fest davon überzeugt war. Diese Aussage trifft vielleicht nicht auf jeden zu, und es gibt sicher Menschen, die das anders sehen, aber im Endeffekt gibt es nur eine einzige Person, vor der ihr die Entscheidung ein Leben lang rechtfertigen müsst, und das seid ihr selbst – so lange ihr mit gutem Gewissen entscheidet, wird es sicher die richtige Wahl sein.
ich stand vor dieser frage auch mal und hab mich dann gegen das ausland und für die beziehung entschieden. das lag aber auch daran, dass das ausland für mich nicht wie bei dir schon immer ein traum war, sondern eher eine kurzfristige idee, zuerst war es eigentlich mehr eine flucht aus meiner alten beziehung bzw die hoffnung, durch die distanz zu einer lösung zu kommen. da es dann sowieso eine trennung gab, hat es sich für mich zu einer beziehungsverarbeitungsphase gewandelt und als ich meinen freund kennengelernt hab (das hat sich alles im zeitraum von einem dreiviertel jahr abgespielt), war ich mir nicht mehr sicher, ob es mir wichtig genug ist. ich kann nicht sagen, dass ich es bereue, obwohl ich die erfahrung gern gemacht hätte. aus heutiger sicht hätte ich die damals halt noch GANZ frische beziehung genauso wenig aufs spiel setzen wollen wie damals. von dem her ist es okay für mich, es nicht gemacht zu haben, obwohl ich es unter anderen umständen natürlich schon irgendwie gern gemacht hätte.
Ja, ich verstehe, was du meinst…ich glaube, es ist generell von der Situation und der Person abhängig. Ich meine, wenn man irgendwann zurückblickt, bereut man meist die Dinge, die man nicht getan hat, aber man könnte es genau so bereuen, dass eine Beziehung unter so einer Entscheidung extrem gelitten hat, zum Beispiel…also ist es sowieso eine sehr individuelle Entscheidung!
Hallo Alex,
da ist ein sehr schwieriges Thema und hängt für mich nicht unbedingt mit einer Zeit im Ausland zusammen. Es gibt Paare, die alles zusammen machen, nirgendwo allein hingehen und sich auch nur auf den Partner fokussieren. In ein umso größeres Loch fallen sie dann, falls es mit der Beziehung mal nicht mehr klappen sollte. Ich vertrete daher generell die Meinung, dass man mehr für sich selbst machen und das tun sollte, woran man Spaß hat und weiß einen selbst glücklich macht und dies nicht von anderen Menschen abhängig macht. Natürlich muss man ab und an Kompromisse finden, aber gerade bei so „großen“ Sachen wie eine Zeit im Ausland oder die Erfüllung irgendeines Traums sollte man dies nur mit sich selbst aushandeln 😉 Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis aber so umschaue, stehe ich manchmal ziemlich allein mit meiner Meinung. Ich denke aber, Du verstehst, was ich damit sagen möchte 🙂
Liebe Grüße
Sarah
Hallo Sarah,
Danke für diese ausführliche Antwort! Ja, die Meinung vertrete ich generell auch – aber wie ich schon im Post beschrieben habe, denke ich auch, dass man ab einem gewissen Punkt nicht immer nur an sich selbst denken soll. Ich meine, bei mir hat es jetzt geklappt und wir sind zusammen ins Ausland gegangen, da wir beide den gleichen Traum hatten, war das ja auch kein Problem. Ich finde es aber auch generell schwierig, wenn Menschen ihre eigenen Träume aufgeben, um bei ihrem Partner zu bleiben. Ich kenne ein paar, die sich so entschieden haben, teilweise haben sie es bereut, teilweise nicht – ich denke, generell ist es sowieso sehr von der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Prioritäten abhängig. Aber ich bin da sowieso der Meinung, eine Beziehung die ein paar Monate Trennung (im Sinne von Auslandsaufenthalt) nicht überstehen kann, ist vielleicht einfach nicht für die Ewigkeit gemacht – aber auch da mag ich falsch liegen, je nach Fall.
Liebe Grüße,
Alex
Ich habe 8 Jahre lang eine Fernbeziehung mit einem Deutschen erlebt… und wir leben jetzt zusammen in Frankreich. Insofern bin ich mit dir absolut einverstanden!
Danke schön! 🙂